Anfang des Monats habe ich mit euch meinen Jahresrückblick geteilt. Dabei ging es vor allem darum, was sich schreiberisch bei mir getan hat. Jetzt, am Ende des Monats, möchte ich noch einmal auf andere Aspekte zurückblicken: Wie ich 2017 lernte, dass ich mir Geschichten über mich selbst erzählte und glaubte, die gar nicht wahr sind.
Seit Sommer 2015 bin ich hauptberuflich selbständig. Das ist jeden Tag aufs Neue eine große Herausforderung und längst nicht immer sieht mein Konto zum Monatsende so aus, wie ich es mir erhofft habe. Ich kann selten mehr als ein paar Monate im Voraus planen, weil ich nie genau weiß, welche Aufträge und Deadlines mir noch ins Haus flattern werden. Aber all das wusste ich, bevor ich mich für die Selbständigkeit entschieden habe, und ich bin in der glücklichen Lage, dass es trotz aller Ungewissheit funktioniert und immer besser wird. Ich bin nicht nur Autorin, sondern auch Texterin und Übersetzerin sowie als Lektorin und Korrektorin unterwegs.
Von der Selbständigkeit in die Selbstzweifel
Unterm Strich mache ich also genau das, was ich machen wollte. Trotzdem landete ich Mitte 2017 in einem tiefen Frustloch. Eine Sinnkrise, in dem ich am liebsten alles in Frage gestellt hätte.
Verschiedene Sachen kamen da zusammen. Ich hatte zahlreiche interessante Aufträge, machte aber auch einiges an wirklich stumpfsinnigem Kram. Beispielsweise habe ich an die sechzig Texte über Ungeziefer redigiert und umgeschrieben. (Falls ihr also jemals Fragen zu Wühlmäusen und Kakerlaken habt, geht vertrauensvoll zu jemand anderem, denn ich hab davon definitiv genug.)
Diese Kakerlakentexte bedeuteten recht leicht verdientes Geld. Es gab nur ein Problem: Sie waren so unfassbar öde (die Kakerlakenenthusiasten unter euch mögen mir verzeihen).
Ich war mit der Gesamtsituation unzufrieden. Nicht nur mit den Kakerlaken, sondern vor allem mit mir. Ich fand mich entsetzlich faul, träge und unorganisiert. Kein Wunder, dass bei mir nichts klappte. Ich hätte an einem Arbeitstag meist viel mehr schaffen können als das Mindestziel, das ich mir setzte, aber das machte ich nicht. Sobald ich es erreicht hatte, ließ ich den virtuellen Stift fallen, nahm die Hände von der Tastatur und beschloss, dass es für heute genug war. Faulheit eben!
Frust und Faulheit: Wie ich mir selbst Unsinn erzählte
Es dauerte eine Weile, bis ich der Lösung auf die Spur kam. Und es brauchte mehr als ein Schlüsselerlebnis dafür. Eines war der Moment, als ich zu Recherchezwecken (ausnahmsweise kakerlakenfrei) einen wissenschaftlichen Text las und plötzlich das Gefühl hatte, da gieße jemand Wasser über mein ausgedörrtes Gehirn. Es war kein hochkomplizierter Text, aber doch einer, der mich beim Lesen forderte, Gedanken in Bewegung brachte, mir Aufmerksamkeit abverlangte. Das fühlte sich großartig an.
Ich versuchte, dem Grund meiner Sinnkrise auf die Spur zu kommen. Dafür unterhielt ich mich lange und ausgiebig mit Freunden und stellte nicht zum ersten Mal fest, dass ich großartige Freunde habe, die immer da sind, zuhören und genau wissen, wie sie mich aus meinem Loch ziehen und mir den Kopf zurechtrücken können. Schließlich grübelte ich auch viel allein vor mich hin. Und irgendwann fiel mir etwas ein, was mich extrem verblüffte: Ich war eigentlich gar nicht faul. Ich war auch nie faul gewesen.
Rückblickend weiß ich nicht genau, wann ich angefangen habe, mir das einzureden, und warum ich es mir so widerspruchslos geglaubt habe. Denn eigentlich hätte ich genug Beispiele an der Hand gehabt, um es zu widerlegen. Arbeiten und Lernen hat mir grundsätzlich immer Spaß gemacht. Wenn ich in irgendeinem Bereich eine Entscheidung treffen musste, wählte ich sehr häufig die Option, die die größere Herausforderung bedeutete, wenn diese mich persönlich und inhaltlich weiterbrachte. Beispielsweise vor einigen Jahren, als ich mich entschloss, für einen zweiten Master nach Bonn zu gehen, weil das einfach eine Herzenssache war. Ich hatte immer Freude daran, Erwartungen zu übertreffen — und vor allem aber, auch für mich selbst mein Bestes zu geben.
Ich kann mehr, aber ich muss es auch wollen
Wenn ich mir also erzählte, ich sei faul, erzählte ich mir Blödsinn. Aber wenn ich nicht faul war, warum erledigte ich dann solche simplen Aufgaben wie die Kakerlakentexte im Schneckentempo? Warum blieb ich so extrem unter meinen Möglichkeiten?
Und das war die zweite Erkenntnis: Ich war davon ausgegangen, dass ich manche Dinge auf Sparflamme erledigen kann und mir damit Zeit und vor allem Kraft für jene Dinge lasse, die ich wirklich machen möchte. Blöderweise klappt das in der Praxis überhaupt nicht. Wenn ich stumpfsinnige Dinge erledigen muss, die mich weder fordern noch inhaltlich interessieren, entwickle ich einen inneren Widerstand dagegen. Ist ja auch irgendwie logisch. (Speziell, wenn es um Kakerlaken geht.) Und diesen Widerstand zu überwinden kostet schon mal eine große Portion Kraft, bevor das erste Fitzelchen Arbeit überhaupt erledigt ist.
Was habe ich also 2017 gelernt, außer der Tatsache, dass erschreckend viele Kakerlaken in deiner Küche leben können, bevor du auch nur eine einzige entdeckst?
- Es reicht nicht, theoretisch mehr leisten zu können — ich muss auch mehr leisten wollen.
- Ich darf nicht jede Geschichte glauben, die ich mir selbst über mich erzähle. Ich bin nicht faul. Ich bin nie faul gewesen.
- Stumpfsinn und Sparflamme tut mir nicht gut.
Natürlich werde ich auch weiterhin immer mal wieder Dinge machen müssen, die mir eben die Miete bezahlen, aber ich darf dabei nicht mehr das große Ganze aus dem Blick verlieren.
Raus aus der Sinnkrise, Schluss mit der Sparflamme!
2018 ist deshalb ein Jahr, in dem sich meine Zielsetzungen zum ersten Mal seit langem wirklich lebendig und nach »meinem Ding« anfühlen, anstatt nur ein paar Zeilen Schönschrift zu sein. Ich will mich wieder mehr fordern, gefordert werden und weiterentwickeln. Ich habe begriffen, dass ich das wissenschaftliche Arbeiten und die Inhalte meines Studiums vermisse. Und dass es an mir ist, mir dafür wieder Raum zu schaffen. Eine Sache, mit der ich schon Ende 2017 angefangen habe und die mir wahnsinnig gut tut: Ich lese wieder. Ich lese Romane, die einfach nur Zeit für mich bedeuten, aber eben auch wissenschaftliche Texte. Ich suche nach Anknüpfungspunkten, ich tüftle an einem kleinen Herzensprojekt diesbezüglich, von dem ich euch hoffentlich im Juni mehr erzählen kann.
Insgesamt will ich weg von Kakerlakentexten aller Art. Wieder mehr Dinge machen, die ich wirklich spannend finde. Erste Schritte in diese Richtung sind getan, und weitere werden folgen. Denn nach 2017 habe ich endlich das Gefühl, dass ich auch weiß, wo ich hin will. Und ich habe mich daran erinnert, dass ich auch dann nicht aufgebe, wenn der Pfad etwas steiler und steiniger wird.
Soweit mein großer Vorsatz für 2018. Wie sieht es mit euch aus? Habt ihr auch schon mal festgestellt, dass ihr euch selbst ein völlig falsches Bild von euch gemacht habt? Und womit wollt ihr euch 2018 fordern?
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